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Atlantik-Überquerung

  • Beitrags-Kategorie:Segeltörn
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Obwohl es auf der Barfußroute um die Welt längere und auch anspruchsvollere Etappen gibt, gilt die Atlantiküberquerung als Königsdisziplin. Das liegt wahrscheinlich schlicht daran, dass von Europa kommend dies die erste wirklich längere Etappe Richtung Karibik ist. So ist die Spannung für uns auch bereits auf den Kanaren zu spüren. Um die zu überwindende Distanz zu minimieren, haben wir einen Zwischenstopp in Mindelo auf den Kapverden und als Ziel Barbados als östlichste Karibikinsel gewählt. Für die verbleibenden 2.030 nm wird die Crew einerseits durch Marcus und Thorsten verstärkt, reist Brigitta andererseits zurück nach Hamburg.

MariaNoa

MariaNoa als geräumiger Katamaran bringt alle Qualitäten mit, die ein Schiff für einen langen Schlag haben sollte. Technisch ohne Mangel, in gepflegtem Zustand, mit erheblichen Energiekapazitäten sowie einem Wassermacher ausgestattet. Ein zweiter Autopilot dient als backup und der Parasailor als ideales Vorwindsegel.

Vorbereitung

Neben dem technisch einwandfreien Zustand haben wir das Rigg inspiziert und das Unterwasserschiff reinigen lassen. Innen haben wir natürlich im wahrsten Sinne klar Schiff gemacht und den Gästerumpf für unsere Crewverstärkung besonders hergerichtet. Einerseits ist MariaNoa unser privates Zuhause, anderseits sollen Marcus und Thorsten sich hier so wohl wie möglich fühlen. Gebunkert haben wir bereits auf Teneriffa, später noch auf El Hierro und in Mindelo. Für das Wetterrouting dient predictwind und das iridium go. Eine umfassende Sicherheitseinweisung haben wir bereits vor einigen Tagen und in aller Ruhe durchgeführt.

Wir stechen in See

Nach einem frühen Tankstop stechen wir am 09.11.2021 in See. Die erwartete Düse zwischen Sao Vicente und Santo Antao erfasst uns mit 29 kn. Wir lassen uns nur mit der Fock aus dem Kanal zwischen den zwei Inseln ziehen. Sobald wir die jeweiligen Südspitzen der Inseln passiert haben, flaut der Wind wie erwartet auf 12 – 15 kn ab. Allerdings fängt es an zu regnen, alle sind pudelnass. In diesen widrigen Bedingungen misslingen die ersten Segelmanöver, der Parasailor vertörnt sich um das Vorstag, die Schmetterlingsbesegelung will nicht stabil stehen. So fahren wir halsend zickzack durch die erste Nacht und produzieren 70 unnötige Meilen. Erst am kommenden Morgen stabilisiert sich das Wetter und die Crew, der Parasailor kann gesetzt werden und bleibt bis zum Morgen des 6. Tages dem 14.11. stehen.
Die Wetterbedingungen sind im Wesentlichen ausgesprochen moderat und komfortabel. Wind von achtern mit 12 – 17 kn und eine für den offenen Atlantik mäßige Welle. Der Parasailor muss ab und an getrimmt werden, echte Segelwechsel sind aber selten. So rauscht MariaNoa über den Atlantik, durch die Nächte und durch die Tage. Spektakuläre Etmale bleiben da aus, mit 125 nm sind wir aber nicht unzufrieden. Es bleibt viel Zeit für Alltagsbeschäftigungen. Nachts liebe ich es Hörbücher zu hören. „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer begeistert mich dabei so sehr, dass mich der so und so vielte Krimi danach nur noch langweilt. Tagsüber komme ich tatsächlich dazu, Filme zu schneiden. Ich teile die gesamte Atlantiküberquerung in drei ca. gleiche Abschnitte und habe bei Ankunft in Barbados tatsächlich die gesamte Reise nahezu aufbereitet. Dennoch blieb auch so viel Zeit für Klönen, Träumen, Karten spielen – SkipBo war der Favorit. Besonders die Sonnenauf- und die Sonnenuntergänge sind zum Teil ausgesprochen malerisch. Sonnenaufgänge vom Cockpit aus, da mit Blick zurück nach Osten, und Sonnenuntergänge voraus Richtung Westen. Bei der glatten See picken wir uns auf dem Trampolin ein und beobachten den im Meer versinkenden Feuerball.

Parasailor - Squals

Wegen eines von hinten sich nähernden Regengebietes holen wir den Parasailor vorübergehend ein, um unmittelbar darauf diesen wieder für die nächsten 1 ½ Tage zu setzen. Zu viel Wind und zu viel Welle lassen uns nach Sonnenuntergang des 15.11. für einen ernsthaften Zeitraum den Parasailor einholen und lediglich mit der Fock weitersegeln. 18 – 20 kn TWS haben wir uns als Handlungsmarke gesetzt, mit 22 kn sind wir eindeutig darüber. Schon bald lässt der Wind wieder nach. Nachts wechseln wir die Segel aber nur, wenn es sein muss. So wird nach Sonnenaufgang das geliebte rote Leichtwindsegel gehisst und die Reise fortgesetzt.

„MariaNoa, MariaNoa“ ertönt es auf einmal über Kanal 16, welcher immer angeschaltet aber seit Tagen totenstill ist, da sich in Reichweite keine Schiffe befinden. So dauert es eine Weile, bis ich begreife, dass wir gemeint sind und dies nur die Clipper Kopenhagen sein kann – das einzige Schiff weit und breit auf dem AIS. Ich melde mich und frage, was ich für die Clipper tun kann. „Wir hätten ein rotes Segel gehisst. Ob wir in Nöten seien.“ Ich bin nahezu gerührt, erläutere den Parasailor, bedanke mich für die Fürsorge und wünsche eine gute Weiterfahrt. Es gibt in der Seglerszene viele Gerüchte über unbesetzte Brücken und desinteressierte Besatzungen. Diese kleine Begegnung zeigt mir hingegen, dass auf den Brücken der Berufsschifffahrt sich durchaus Menschen befinden, die mit ihren Ferngläsern Ausschau nach diesen winzigen Sportschiffen halten, die sich mit kleinsten Mitteln über die Ozeane kämpfen und dabei kaum vom Fleck kommen. Kompliment und Dankeschön an die Clipper Kopenhagen.

 

Wetterrouting

Jeden Morgen in meiner Frühwache hole ich über Satellit aktuelle GRiB-Dateien ein. Würden wir einer der Routenempfehlungen folgen, würden wir bis zu 200 nm nach Süden oder Norden ausweichen, nur um am Folgetag in die Gegenrichtung geschickt zu werden. Die Wechselhaftigkeit der Routenempfehlungen von Tag zu Tag erschrickt uns und veranlasst uns, dann eben doch nach Gefühl (und Verstand) in diesem Fall auf direktem Kurs nach Barbados zu segeln. Dies sollte sich als gute Entscheidung herausstellen. Routenempfehlungen sind eben Algorithmen die aufgrund momentanen Wetterdaten entstehen. Ändern sich die Wetterdaten, ändern sich eben auch die Empfehlungen. Es ist daher durchaus angeraten, den Kopf und eben auch das Zwergfell, wo bekanntlich die besten Entscheidungen entstehen, angeschaltet zu lassen, trotz und gerade wegen aller digitalen Technik. Man muss dann auch den Mut haben sich über die Empfehlungen hinwegzusetzen.

Bordzeit – Wachplan - Schlafentzug

Noch nie in meinem Leben habe ich mich so konsequent auf einem reinem Westkurs befunden. Durch die spürbar sich verschiebenden Sonnenauf- und untergänge passen wir regelmäßig die Bordzeit an. Der Wachplan mit 2 Stunden-Wachen nachts und 4 Stunden-Wachen von 06:00 bis 18:00 Uhr bewährt sich somit. Ich als Skipper stehe außerhalb meiner Wachen bei Bedarf „Hannes!!!!!“ nicht nur binnen zehntel Sekunden auf der Brücke, sondern zeige in unregelmäßigen Abstand Präsenz. Der hiermit verbundene Schlafentzug ist sicherlich nach außen spürbar, ich komme aber erstaunlich gut damit zurecht. Markus und Thorsten schlafen hingegen während ihrer Freiwachen ad hoc und tief und fest – beneidenswert.

Essen und Trinken

Kulinarisch geht es uns über den Maßen gut. Zum einen sind viele Segeltage so ruhig, dass ausgiebig gekocht und gemeinsam gegessen werden kann. Bis zwei Wochen zehren wir hierbei von frischem Obst und Gemüse – damit habe ich nicht gerechnet. Nur die letzten paar Tage gibt es Büchsenfutter. Auf der ersten Hälfte der Reise ist uns das Anglerglück hold. Ein 90 cm Maimai sorgt allein 4 Tage lang für Frisches auf dem Tisch. Dann verhindert Seegras, das sich am Köder verfängt, weiteren Anglererfolg. Insgesamt haben wir gebunkert als ob wir bis Panama durchsegeln wollten.

Rote Ungeheuer

Um so näher wir der Karibik kommen, um so wärmer und schwüler wird es. Somit nimmt die Gewitterbildung zu. Das Radar ist immer öfter im Einsatz. Oft gelingt es uns den Regenzellen zu entgehen, oft aber auch nicht. Dann muss ganz schnell der Parasailor geborgen und ggf. die Standardbesegelung gesetzt werden. Denn wenn uns der Parasailor lieb ist, dann müssen wir ihn vor harten Böen bewahren. Die Radarechos nennen wir die roten Ungeheuer, die nach MariaNoa greifen.

Ankunft Barbados

Insgesamt haben wir 16 Tage und 15,5 Stunden gebraucht bevor wir mitten in der Nacht des 25.11.2021 vor Bridgetown den Anker fallen lassen können. Wettertechnisch haben wir ein unglaubliches Glück gehabt, denn es muss einem immer klar sein, dass man nur 5 Tage in die Zukunft sehen kann. Alles weitere ist Schicksal. Fast immer konnten wir den ungemein komfortablen Parasailor einsetzen, außer wenn wir zu viel oder zu wenig Wind hatten oder nach Winddrehern den Kurs nicht halten konnten. Noch im Ankermanöver bricht der StB-RopeCutter, wir sind manövrierunfähig.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Anna Fritz

    Letztes Jahr war ich auch unterwegs von Las Palmas nach St.Lucia. Wir segelten durch ohne Zwischenstop und Gefahr.
    Es war auch ein schöner gut ausgerüsteten Cat.
    War mit vier Männern unterwegs.
    Als einzige Frau hat das auch seine Vorteile.
    Bin nach dem Törn noch zwei Monate in Barbados hängengeblieben. Eine unvergessliche Zeit. Würde es sofort wieder machen.

    1. MariaNoa

      Hallo Anna, die gleiche Atlantiküberquerung muss ich nicht noch einmal machen aber es liegen ja noch so viele spannende Passagen vor uns.

  2. Winston Wolf

    Hallo MariaNoa,

    herzlichen Glückwunsch! Ich habe Eure Reise und auch die Vorbereitung aufmerksam verfolgt und bin begeistert. Toll gemacht! Ich wünsche Euch alles Gute und wenn ihr mal Begleitung sucht, bei Euch würde ich gern mitfahren.

    1. MariaNoa

      hallo Winston,das freut uns.Danke für dein Angebot.Jetzt sind erstmal nur kleinere Etappen in der Karibik geplant. Mal schauen, was dann noch kommt.

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