27 kn SOG bei 17 kn TWS
Eigentlich hatte ich unser Dingy nur an die andere Seite des Fingerstegs verlegt, damit es bei einem geplanten Ab- und Anlegemanöver nicht im Weg ist. Das war der Beginn der Geschichte!
Die creme de la creme
Hier im Hafen von Las Palmas machen im Rahmen der ProSailingTour zurzeit 7 Hochseetrimarane Station, die nach Brest und La Rochelle hier ein 24 h offshore-race mit anschließenden inshore-races vor Las Canteras bestreiten. Die Teams sind Arkema 4 und seinem Skipper Quentin Vlamynck, Ciela Village mit Skipper Erwan Le Roux, Group GCA – 1001 Sourires mit Skipper Gilles Lamire, Team Leyton mit Sam Goodchild als einzigem Engländer, Team Primonial mit Sebastien Rogues, Team Solidaires en Peloton-Arsep mit Thibaut Vauchel-Camus und The Arch mit den Skippern Armel Tripon und Benoit Marie. Kurz um die creme de la creme des Trimaran-Hochsee-Regatta-Sportes.
Segler helfen Seglern
Wir saßen gemütlich in unserer MariaNoa als ein halbes Dutzend sportlich gekleideter junger Männer am Stegtor uns riefen. Schnell erfuhren wir, dass der Trimaran der Ciela Village Kampagne auf der Überführung von La Rochelle einen Schaden am Bug der Crashbox erlitten hatte, der sofort repariert werden musste. Hierzu benötigten sie ein kleines Dingy wie unseres, um die Arbeiten am Bug des Mittelrumpfes vom Wasser aus ausführen zu können. Für mich war die Sache sofort klar: Segler helfen Seglern, wenn auch die Segler in diesem Fall nicht unterschiedlicher sein können. Was ich für die Miete haben wollte … Das kam mir nun gar nicht in den Sinn! Das Angebot von Erwan Le Roux, die Crew für eine Stunde vor dem Training bei einer Ausfahrt begleiten zu dürfen, fand ich viel prickelnder und drückte Erwan den Schlüssel in die Hand.
Klare Ansagen
Zwei Tage später, die Reparaturarbeiten waren erfolgreich abgeschlossen und unser Dingy wieder zurück bei seinem Mutterschiff fanden wir uns um 12:00 Uhr in vollem Ölzeug und mit Rettungsweste vor dem Trimaran ein und lernten schon mal die Crew kennen. Louis war mit seiner aufgeschlossenen Art und seinem guten Englisch im Wesentlichen unser Ansprechpartner, sowie Benedicte – kurz Ben – das Mädchen für alles. Wegen einer Pressekonferenz verzögerte sich der Start zwar aber als Erwan eintraf, ging es unmittelbar los. Imponierend war die klare aber auch freundliche Autorität des Skippers. Das Headset auf seiner Kappe war keine Gegensprechanlage, es funktionierte nur oneway für klare Ansagen.
Technische Probleme
Kaum abgelegt, wurde das Schiff in den Wind gedreht und das Groß geheißt (so wie wir es auch machen). Die ersten technischen Probleme: ein Splint wollte nicht in den Mastrutscher und der Achterleakspanner tat auch nicht seine Dienste. Beim Setzen des mittleren Vorsegels verhakte sich die Reffleine und der Furling musste vorübergehend ausgebaut werden. Kurzum solch eine Fahrt ist eine Aneinanderreihung von technischen Problemen, die unmittelbar gelöst sein wollen. Ein Schiff, das solchen Belastungen ausgesetzt ist … kein Wunder, dass ständig etwas kaputt ist. Wir waren natürlich fürchterlich im Weg und während die Crew behände über die Trampoline sprang, suchten wir hinter einem der Beams kauernd Schutz und klammerten uns krampfhaft fest. Die Crew war solche Passagiere wohl gewohnt und immer freundlich und fröhlich zu uns. Nach einer kurzen Teambesprechung wurden wir gefragt, ob wir das gesamte Training mitmachen könnten. Die Zeit war knapp geworden und uns nach einer Stunde noch einmal abzusetzen, nicht vorstellbar. Na klar, stimmten wir zu, auch wenn wir unseren Freunden Ralf und Gabi, mit denen wir verabredet waren, leider kurzfristig absagen mussten. Der Trimaran nahm schnell Fahrt auf und seine Geschwindigkeit überschritt den tatsächlichen Wind wie eine der riesigen Anzeigen informierte. Die Fahrt ging Richtung Norden zur Isleta um dann nach Westen vor Las Canteras zu kreuzen, da hier am Wochenende die Inshore-Races stattfinden. Wende, Halse, drei verschieden große Vorsegel gesetzt und wieder gerefft. Bald hatte ich etwas die Orientierung verloren, wo wir uns vor Gran Canaria eigentlich befanden.
27 kn SOG
Bei halbem Wind nahm der Trimaran richtig Fahrt auf und erreichte in der Spitze 27 kn – wohlbemerkt bei verhältnismäßig moderaten Winden von 15 – 17 kn TWS. Immer wieder schlug einer der Rümpfe in eine der Wellen und ein kräftiger Schwall Seewasser ergoss sich über uns. Volldusche! Am Schluss war ich nass bis auf die Unterhose. Unsere Aufgabe bestand darin, bei jeder Wende oder Halse hinter Erwan die Seite des Schiffes zu wechseln. Backbord nach Steuerbord und Steuerbord nach Backbord. Während Erwan behände und in wenigen Sekunden die Seiten wechselte, dauerte unser Seitenwechsel quälend lang. Na immerhin waren wir immer positiv, niemand musste sich um uns Sorgen machen.
Seekrankheit
Interessant finde ich, dass wir auf der hin- und herschaukelnden MariaNoa immer etwas mit Seekrankheit zu kämpfen haben. Solch ein Renn-Trimaran schneidet hingegen mit seinem scharfen Steven wie ein Messer durch die Wellen – da schaukelt gar nichts. Das Schiff fährt wie auf Schienen – von Seekrankheit keine Spur.
Plitschnass und durchgefroren
Okay, nach 3 Stunden waren wir plitschnass und ziemlich durchgefroren. Aber es war ein wahnsinniges Erlebnis. Es hat super viel Spaß gemacht und wir danken der Crew der Ciela Village insbesondere seinem Skipper Erwan Le Roux für dieses unvergessliches Erlebnis und wünschen allen viel Erfolg bei allen Rennen der ProSailingTour.